„Stark steigende Sozialausgaben“: FDP will Kürzungen bei Rente und Bürgergeld – ist die Aussage korrekt? (2024)

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Von: Amy Walker

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Die Debatte um den Haushalt beginnt erneut. Finanzminister Christian Lindner identifiziert weiterhin eine Milliardenlücke im Budget für 2025. Er würde bevorzugen, im Sozialsektor zu sparen.

Berlin – Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht rund einen Monat nach der Haushaltseinigung für 2025 weiteren Gesprächsbedarf. Es fehlen noch immer Milliarden, nachdem ein wissenschaftliches Gutachten die Verfassungsmäßigkeit einiger neuer Haushaltsmaßnahmen in Zweifel stellte. Aus Sicht Lindners und der FDP müsste jetzt der Rotstift am größten Posten des Haushalts angesetzt werden: dem Sozialetat. Es müssten „im konsumtiven Bereich“ Einsparungen gemacht werden.

Kürzungen bei Rente und Bürgergeld: Sozialausgaben im Vergleich zum BIP konstant

Was Lindner damit meint, ist wohl: bei der Rente und beim Bürgergeld. Letzteres ist zum großen Streitthema der Koalition geworden, vor allem durch die vielen ukrainischen Flüchtlinge, die direkt Bürgergeld beziehen durften, sind die Kosten in die Höhe gesprungen. Und der FDP ist die sogenannte Rente mit 63 ein Dorn im Auge. Lindner sieht früher oder später dringenden Handlungsbedarf, die „stark steigenden Sozialausgaben“ würden den Sozialstaat belasten.

Doch stimmt das überhaupt, dass die Sozialausgaben so stark angestiegen sind? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gibt jährlich die Aufstellung des Sozialbudgets für das Vorjahr bekannt. Im Juli erschien daher auch die Aufstellung der Sozialkosten für das Jahr 2023. Und ein Blick in die Zahlen offenbart: Der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bleibt eigentlich relativ konstant – und war zuletzt wieder gesunken.

Diese sogenannte Sozialleistungsquote lag im vergangenen Jahr bei 30,3 Prozent. An dieser Quote hat sich seit 2016 durchgängig sehr wenig geändert, einzige Ausnahme waren die beiden Pandemiejahre 2020 und 2021, als sie auf 32,8 Prozent des BIP anschnellte. Und auch schon 2009 lag die Sozialleistungsquote bei 30,8 Prozent, 2003 kratzte sie das erste Mal an die 30-Prozent-Marke mit 29,9 Prozent. Den Tiefpunkt erreichte die Quote 2007, als sie nur 26,9 Prozent des BIP ausmachte. Es ist also gemessen am BIP nicht korrekt zu sagen, die Sozialleistungen würden den Sozialstaat zunehmend belasten. Die Sozialausgaben belasten heute die Wirtschaft nicht mehr als noch 2019.

Was jedoch aller Voraussicht nach stimmt, ist: Wenn nicht bald gegengesteuert wird, wird die Sozialleistungsquote doch deutlich steigen. Denn durch den demografischen Wandel werden die Kosten für Rente, Krankenkasse und Pflege steigen. Darauf hat keine Regierung, auch nicht die Ampel-Koalition, in den letzten Jahren wirklich eine Antwort gefunden.

Milliarden für Sozialleistungen: Wofür Deutschland 2023 Geld ausgegeben hat

Rein nominal gesehen wird auch mehr Geld für Soziales ausgegeben. 2023 wurden 1249 Milliarden Euro für das Sozialbudget ausgegeben, das waren 5,2 Prozent mehr als 2022. Im Sozialbudget werden aber nicht nur die Ausgaben, die aus den Haushältern des Bundes und der Länder fließen, erfasst, sondern generell alle Sozialausgaben – auch solche, die über Beiträge finanziert werden.

61,1 Prozent des Sozialbudgets entfielen demnach auf die Sozialversicherungen, also Rente, Krankenkassen, Pflegeversicherung, Unfallversicherung und Arbeitslosenversicherung. Die zwei größten Posten sind die Rentenversicherung (29,6 Prozent des Budgets) sowie die Krankenversicherung (23,2 Prozent). Den zweitgrößten Anteil beanspruchen die „Förder- und Fürsorgesysteme“ für sich (18,7 Prozent des Budgets). Dazu gehören Leistungen wie Bürgergeld, Sozialhilfe und Wohngeld sowie Elterngeld und Kindergeld.

„Stark steigende Sozialausgaben“: FDP will Kürzungen bei Rente und Bürgergeld – ist die Aussage korrekt? (1)

8,9 Prozent der Sozialausgaben waren für Arbeitgebersysteme wie Entgeltfortzahlungen, Betriebsrenten und anderen Versorgungsleistungen der Arbeitgeber. Weitere 7,5 Prozent des Sozialbudgets gingen 2023 auf die Pensionen, Familienzuschläge und Beihilfen für Beamte und Beamtinnen. Übrig bleiben noch Sondersysteme wie die privaten Krankenversicherungen, die Alterssicherungen der Landwirte und der kammerfähigen Berufe sowie Entschädigungssysteme.

Deutlich mehr Ausgaben für Wohngeld im Vergleich zu 2022

Die größten Veränderungen gab es zwischen 2023 und 2022 beim Wohngeld (137,4 Prozent mehr Ausgaben), bei der privaten Altersvorsorge (+26,3 Prozent) bei der Ausbildungsförderung (+13,9 Prozent) und beim Bürgergeld (+12,1 Prozent). Der große Anstieg beim Wohngeld lässt sich wohl durch die Reform des Wohngeldes im Jahr 2023 erklären, wodurch viel mehr Menschen Anspruch auf die Unterstützungsleistung für Miete und Heizkosten erhalten haben.

Ähnlich sieht es auch beim Bürgergeld aus, da mit der Einführung im Jahr 2023 auch Menschen mit geringem Einkommen Anspruch auf diese Leistung bekommen haben. Zusätzlich gab es eine Erhöhung der Regelsätze beim Wechsel von Hartz IV auf Bürgergeld.

Ampel braucht Milliarden im Haushalt 2025 – Wo soll gekürzt werden?

Wo könnte die Ampel-Regierung also den Rotstift ansetzen, um die fünf Milliarden Euro, die Lindner nach eigenen Angaben noch braucht, zu decken? Der Blick geht natürlich als Erstes an die größten Posten: 385 Milliarden Euro hat die Rentenversicherung 2023 ausgegeben, die Krankenversicherungen haben 301 Milliarden zahlen müssen. Dort kann die Bundesregierung nicht kürzen – oder eben nur sehr eingeschränkt – schließlich zahlt der Bund diese Ausgaben größtenteils nicht, sie werden aus den Beiträgen der Bevölkerung gestemmt.

Mit 42 Milliarden Euro hat sich der Bund 2023 an der Rente beteiligt. Den Zuschuss zu kürzen, würde – wenn das überhaupt verfassungskonform wäre – eine Kürzung an den Renten bedeuten. Auch wenn „nur“ fünf Milliarden Euro weniger gezahlt werden würden, das Geld fehlt dann irgendwann in der Zukunft.

Ein ähnliches Problem ergibt sich aus anderen Sozialbereichen: 59 Milliarden Euro für Familien (z.B. Kindergeld), 63 Milliarden für die Kinder- und Jugendhilfe, 53 Milliarden für Bürgergeld und 49 Milliarden für Sozialhilfe. Das sind alles Kosten, die der Bund nicht einfach kürzen kann bzw. müsste er sich dann in vielen Fällen einer Verfassungsklage stellen.

Für Lindner und seine Ampel-Partner wird es also eine Herausforderung sein. Noch hat er keine Vorschläge gemacht, wo er Kürzungen vornehmen würde.

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